Rundgang durch die Stadt

Wie wenige Städte bietet Krefeld innerhalb seiner Mauern Gelegenheit zu Spaziergängen unter Bäumen und in Anlagen. Der Genuss wird hier nirgends durch Fabrik-Anlagen verkümmert, und die industrielle Physiognomie tritt auf keiner Straße anspruchsvoll hervor. Einzig in ihrer Art sind die vier Wälle, der Stolz Krefelds, die das Rechteck der inneren Stadt umfließen. Es sind breite, luftige Alleen, von Beeten mit Ziersträuchern und Blumen, von Springbrunnen und Denkmälern angenehm unterbrochen. Rechts und links erheben sich stattliche Bürgerhäuser.

In Andenken an den Verfasser des Reisebüchleins „Krefeld in Wort und Bild – ein Führer durch Stadt und Umgebung“
– von einem Verehrer seiner Stadt –
(1896)

Unter den hohen Kronen der Bäume wandelt sich’s zu jeder Jahres- und Tageszeit angenehm. Im Sommer findet man hier kühlen Schatten, und nicht weniger Reiz haben die Anlagen, wenn an Wintertagen der Schnee auf Sträuchern und Bäumen liegt und die muntere Jugend mit ihren Schlitten über die gebahnten Wege dahinfliegt. Der älteste Teil dieser Wälle ist der Ostwall, den wir vom Bahnhof der Staatsbahn aus, durch den Tunnel unseren Weg nehmend, betreten. Beim Austritt sehen wir rechts das Hauptsteueramt. Wir durchschreiten eine Anlage, die sich bis zum Südwall erstreckt. Da, wo Ost- und Südwall sich kreuzen, soll demnächst ein Moltke-Denkmal errichtet werden. An die Anlage schließt sich eine vierfache Reihe von Linden, die im Sommer süßen Duft verbeiten, unter deren Schatten Alt und Jung Erholung sucht und die kleine Welt sich im lustigen Spiel tummelt. Sodann gelangen wir an einen hübschen Springbrunnen vorbei zum Denkmal Karl Wilhelm’s, von der Künstlerhand Walger’s, eines geborenen Krefelders, geschaffen.

Karl Wilhelm war von 1841 bis 1865 Dirigent der Krefelder Liedertafel und schuf als solcher seine schönsten Lieder, u. a. die Wacht am Rhein 1854. Die erste öffentliche Aufführung dieses berühmten Liedes geschah zum Besten der durch eine Rheinüberschwemmung geschädigten Bewohner des Landkreises Krefeld. Der Komponist starb bald nach dem Franzosenkriege in seinem Geburtsorte Schmalkalden. Die Inschrift auf dem Postamte des Denkmals lautet:

Karl Wilhelm, dem begeisterten Tondicher vaterländischer Lieder, dem Sänger der Wacht am Rhein!
Seine Freunde

Wir setzen unseren Weg fort und überqueren die Rheinstraße; da vernehmen wir wiederum das Rauschen eines Springbrunnens; rechts von demselben ist das Gesellschaftslokal, der „Verein“. Das Haus, das eine große Zahl prächtiger, schön ausgestatteter Räume hat, ist sehenswert. Im oberen Saale sind zwei hervorragende Gemälde von Hünten, Kaiser Wilhelm I. und Friedrich II. darstellend. In den stattlichen Kellern lagert manches Fass mit köstlichem Inhalte.

Mehr nördlich, der Wilhelmsstraße gegenüber, erhebt sich, eingerahmt von Ziersträuchern, das Denkmal des Wohltäters der Stadt, Cornelius de Greiff. Hoch oben auf einer korinthischen Säule aus schlesischem Marmor mit ansprechenden Bronzereliefs hält der fabelhafte Vogel Greiff mit den Krallen das Familienwappen derer de Greiff. Die Familie de Greiff ist um 1730 aus der Pfalz in Krefeld eingewandert und gründete hier eine Küferei und Weinhandlung. Der Vater des Cornelius wurde durch Heirat Teilhaber der Samtfabrik der alten Firma Cornelius und Johannes Floh. Der Sohn war gleichfalls ein tüchtiger Kaufmann, der

umsomehr zu großem Reichtum kam, als er anspruchslos lebte. Ein Drittel seines Vermögens vermachte er der Stadt Krefeld zu milden Stiftungen, und heute erhalten an seinem Todestage viele arme Familien eine namhafte Unterstützung. Nördlich des Cornelius-Denkmals ist der älteste Teil de Krefelder Anlagen, eine vierfache Reihe von Lindenbäumen, die vor mehr als 50 Jahren gepflanzt wurden.

Der Gartenstraße gegenüber erhebt sich das schöne, am 9. April 1894 dem Verkehr übergebene Postgebäude. Das im deutschen Spät-Renaissance-Stil aufgeführte Gebäude macht einen höchst imposanten Eindruck; über dem geräumigen Haupteingang erhebt sich eine Kuppel, welche dem stattlichen Gebäude nach oben einen harmonischen Abschluss gibt. Die innere Einrichtung ist elegant und praktisch; von drei Straßen her führen Eingänge zu dem Hauptgebäude, den Flügel- und Quergebäuden, wie den Wagenhallen.

Der Ostwall erstreckt sich über den Nordwall hinaus bis zur Nordstraße. Zwischen beiden ist eine Anlage mit alten Bäumen. Dieser Teil des Walles gehörte früher den den von der Leyen’schen Gärten, die im Jahre 1764 von Friedrich dem Großen in Augenschein genommen wurden. Wie die Gärten, so besichtigte der große König damals auch die Seidenfabriken und das Warenlager seines Gastgebers.

                                                                                   […]

Und nun, liebe Leser, nimmt der Führer Abschied mit der Hoffnung, dazu beigetragen zu haben, Dir Krefeld und seine Umgebung lieb und wert zu erhalten oder zu machen. Möge Dir auf allen den von ihm beschriebenen Wegen und Wanderungen Glück und Sonnenschein folgen!